Eine Stadtbesichtigung
Ich war in Lenzen an der Elbe, einem schönen, stolzen, alten deutschen Bürgerstädtchen in der Prignitz im Norden des Landes Brandenburg. Ein Bekannter, der dort eine Radtour gemacht hatte (also genauer gesagt: mein Zahnarzt), hatte mir schon erzählt, was für einen heruntergekommenen, ausgestorbenen Eindruck Lenzen auf ihn machte, wie in seiner Absteige die Tapeten herunter hingen, wie es dort nach 18 Uhr keine Möglichkeit mehr gibt, irgendwo außerhalb der Wohnung unter Menschen zu kommen, wie es nur einen Supermarkt im Ort gibt.
Aber diese Erzählung hatte mich nicht vorbereitet auf das, was ich sah, als ich plötzlich selbst mitten auf dem Marktplatz von Lenzen stand. Auf Schildern zuvor war immer auf die Altstadt von Lenzen als einer Sehenswürdigkeit hingewiesen worden. Nun stand ich auf diesem uralten deutschen Marktplatz. Und was sah ich? Verfallene Häuser. Leerstand. Fast die Hälfte der Häuser stand leer, waren dem Verfall preisgegeben. Das war so etwas von schockierend, daß ich es erst gar nicht verarbeiten konnte.
Ich machte dann ein paar Videoaufnahmen davon. Aber in ihnen läßt sich der Eindruck dieser verlassenen Stadt nicht wirklich einfangen. Oder das müßte noch einmal gründlicher bildlich aufgearbeitet werden. Auf den ersten Blick finde ich niemanden, der das auf Youtube schon einmal getan hat, von den öffentlich-rechtlichen Medien zu schweigen.
2008 priesen sie einmal die kostenaufwendige Restaurierung eines der Fachwerkhäuser in der Altstadt an (1). Aber nur dezent im Hintergrund sieht man dabei die Leerstände und den Verfall ringsherum. Sie waren damals nicht zum Thema gemacht worden - und scheinbar auch bis heute nicht. Immerhin, eine schriftliche Bestandsaufnahme aus dem Jahr 2019 findet sich (2):
"Lenzen war eine blühende Stadt. Da vorne war ein Friseur, hier eine Kneipe, da hinten ein Gemischtwarenladen. Klamottengeschäfte, Schuhläden, hier gab es alles." (...) Einzelhandel eben. Und heute? Auch Einzelhandel, aber im wahrsten Sinne des Wortes: Deutschs Laden ist als Einziger in der Straße übrig geblieben, hier bekommt man mittlerweile notgedrungen fast alles. "Seit im vergangenen Jahr der Spirituosenladen zumachen mußte, sind wir auch eine Lotto-Annahmestelle, und die Post sowieso."
Machen wir uns es einfach klar: Das ist die Zukunft Deutschlands. Wie soll sie sonst aussehen bei der jetzigen Geburtenrate der Deutschen, bei der sich die einheimische Bevölkerung Deutschlands pro Generation halbiert? Das sind nach einer Generation die Hälfte, nach zwei Generationen ein Viertel, nach drei Generationen ein Achtel und am Ende dieses Jahrhunderts ist von einem Deutschland wie wir es heute noch kennen, nichts mehr übrig. Nur Städte wie heute schon Lenzen an der Elbe.
Immerhin scheinbar ein guter Ort, für ... (2) ...
ältere Menschen, die ihren Lebensabend hier in der idyllischen Elbtalaue verbringen wollen, wo die Lebenshaltungskosten unschlagbar niedrig sind.
Ja, mit einer HartzIV-Rente halt. Deutschland, stirb mit HartzIV-Rente. - Immerhin wird in Lenzen an der Elbe im Barockgarten des dortigen Barockschlosses an einige schöne deutsche Barockgedichte erinnert (3).
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- Lenzen. RBB aktuell, 2008, https://youtu.be/xmvec6eqyN0.
- Julian Vetten, Lenzen (Elbe): Lenzen, wie es leibt und stirbt - Porträt, Wahlreise durch Brandenburg, NTV, 18. August 2019, https://www.n-tv.de/politik/Lenzen-wie-es-leibt-und-stirbt-article21206624.html.
- Bading, Ingo: Gedichte - In Lenzen an der Elbe, 2020, https://youtu.be/G0Etd53z4bA.